Freitag, 5. Juni 2015

So findest du deinen Psychotherapieplatz!

Wie komme ich möglichst schnell und unbürokratisch an einen Therapieplatz? Das ist eine der vielen Fragen, die Diplom-Psychologin Judith Dücomy bei ihrem Vortrag in unserer Selbsthilfegruppe Skin Picking beantwortete. Sie ist psychologische Psychotherapeutin, hat eine Privatpraxis in Köln-Sülz und eine Praxis mit Kassenzulassung in Remscheid. (Update August 2016: Leider praktiziert Judith Dücomy nicht mehr in Deutschland!) Spezialisiert ist Dücomy unter anderem auf die Behandlung von Skin Picking. 


Psychotherapeutin Judith Dücomy Bild: Ingrid Bäumer

Therapieplatz: Lange Wartezeiten für Kassenpatienten

Wir alle wissen es. Kassenpatienten müssen enorm lange auf einen Therapieplatz warten. Immer wieder hören wir in unserer Kölner Selbsthilfegruppe von mindestens zwölf Monaten Wartezeit. Sogar auf ein Erstgespräch müssen viele schon sechs Monate oder länger warten. "Dabei ist Köln nach den Berechnungen der Kassenärztlichen Vereinigung überversorgt mit Psychotherapeuten", berichtet Judith Dücomy. "Das liegt daran, dass die Kassen völlig veraltete Bevölkerungszahlen zugrunde legen." In vielen anderen Regionen sieht es auch nicht besser aus; auf dem Land ist es außerdem oft schwer, überhaupt einen Therapeuten in der Nähe zu finden. 

Therapeutensuche: Los geht's, auch ohne Überweisung!

Für die Betroffenen heißt das: hartnäckig sein und dranbleiben – auch wenn es ihnen gerade aufgrund ihres psychischen Problems schwerfällt. Judith Dücomy erzählt, wie die Suche abläuft. "Ihr könnt den behandelnden Arzt fragen, ob er einen Therapeuten empfehlen kann", sagt Dücomy. "Aber eine Überweisung braucht ihr nicht. Ihr könnt auch einfach in den Gelben Seiten unter Psychotherapie schauen und anfangen zu telefonieren."

 

Auf Approbation achten

Dabei sollte man darauf achten, dass der Therapeut eine Approbation hat. "Finger weg von psychologischen Beratern oder irgendwelchen Schamanen!", warnt Dücomy. Erstens sei deren Qualifikation zweifelhaft und zweitens würden die Kassen ohnehin nicht die Behandlungskosten übernehmen. Allerdings, räumt sie ein: Bei Heilpraktikern für Psychotherapie, die ebenfalls keine akademische Ausbildung haben, könnten Klienten durchaus gute Erfahrungen machen. Zahlen muss man die Behandlung aber aus eigener Tasche.

 

Bei Kassenzulassung zahlt die Krankenkasse

Approbation hingegen bedeutet: Der Therapeut hat eine medizinisch anerkannte, langjährige Fachausbildung an der Uni absolviert. Nur dann darf er mit der Kasse abrechnen. Wobei hier noch zu unterscheiden ist zwischen Approbation und Kassenzulassung: Ist ein Therapeut approbiert, hat aber keine Kassenzulassung, dann zahlt die Krankenkasse normalerweise nicht. Aber unter bestimmten Voraussetzungen kann der Klient sich das Therapeuten-Honorar von der Krankenkasse zurückerstatten lassen. Das nennt man Kostenerstattungsverfahren – mehr Infos dazu demnächst hier bei "In meiner Haut"!

Der Weg zum Therapieplatz ist oft verwirrend und komplizert. Bild: Geralt, Lizenz: CC0

Nordrhein: Freie Therapieplätze telefonisch erfragen!

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein bietet einen besonderen Service an: Die Zentrale Informationsbörse Psychotherapie (ZIP) nennt freie Therapieplätze in der Nähe! Der Service umfasst die Städte Aachen, Bonn, Düsseldorf, Duisburg, Krefeld, Leverkusen und Mönchengladbach sowie den Kreis Aachen, den Rhein-Erft-Kreis, den Rhein-Sieg-Kreis, den Oberbergischen Kreis, den Rheinisch-Bergischen Kreis und den Kreis Euskirchen. Unter der Telefonnummer (02 41) 75 09-182 ist die ZIP erreichbar. Für die Städte Essen, Mülheim und Oberhausen gibt es ein vergleichbares Angebot unter Telefon (02 01) 38 41-61 14.

 

Mit Probesitzungen den passenden Therapeuten finden

Hat man dann einen Therapeuten gefunden, der in absehbarer Zeit ein Erstgespräch terminieren kann – wunderbar! Dann sollte man sich aber am besten gleich bei ihm erkundigen, wie viel Zeit voraussichtlich bis zum Beginn der Therapie vergeht. Um schneller Richtung Therapieplatz voran zu kommen, empfiehlt es sich, auch mit weiteren Therapeuten Erstgesprächs-Termine zu vereinbaren. Denn nicht jeder Therapeut ist gut und passt. "In der Regel gibt es fünf probatorische Sitzungen", erklärt Judith Dücomy.

 

Eine, drei, fünf oder acht Probesitzungen?

Das heißt, man kann bei jedem Therapeuten fünf Sitzungen in Anspruch nehmen, um erst mal herauszufinden, ob er der passende ist. Bei analytischen Therapien sind sogar bis zu acht probatorische Sitzungen möglich. Allerdings werden diese Kennenlern-Stunden von der Krankenkasse nicht so gut bezahlt wie normale Sitzungen, deshalb bieten viele Therapeuten nur drei probatorische Sitzungen an. Manche sogar nur eine. Auch danach sollte man sich schon beim Telefonat mit dem Therapeuten erkundigen.

 

Am wichtigsten ist der Wohlfühlfaktor

Sich beim Therapeuten gut aufgehoben zu fühlen ist das A und O. "Wenn man sich nicht wohlfühlt – wenn man findet, der Therapeut guckt irgendwie komisch oder der hört mir nicht zu: auf keinen Fall weitermachen!", warnt Dücomy. Aber was, wenn der Hilfesuchende beispielsweise schon drei Therapeuten ausprobiert hat und darunter keinen passenden gefunden hat? Gibt es eine Beschränkung, wie viele Therapeuten man ausprobieren darf? "Nein, es gibt keine solche Beschränkung", stellt Dücomy klar.

Warum leide ich so? Mit einer Therapie findest du es hoffentlich bald heraus. Bild: Geralt, Lizenz: CC0

Nächster Schritt: der Therapieantrag

Erstgespräche und probatorische Sitzungen mit mehreren Therapeuten vereinbaren – das ist eine langwierige Sache, es dauert sicherlich mehrere Monate. Der Vorteil ist aber: Der Klient hat einen Vergleich und kann sein Urteil, welcher Therapeut der richtige ist, auf einer soliden Basis fällen. Sind die probatorischen Sitzungen gelaufen und man hat sich für einen Therapeuten entschieden, dann stellt der Therapeut bei der Krankenkasse den Therapieantrag. Dieser wird von einem Gutachter der Krankenkasse bearbeitet. "Der Gutachter liest den Antrag anonym", versichert Dücomy. "Er weiß also nicht, um welche Person es sich handelt."

 

Mindestens 25 Stunden werden genehmigt

Für eine Verhaltenstherapie beantragt der Therapeut mindestens 25 Stunden. Wenn man einmal in der Woche zur Therapie geht, dauert diese also ein gutes halbes Jahr. Je nach Problematik kann der Therapeut auch 45 Stunden beantragen.

 

Analytische Therapie: anderer Ansatz, längere Dauer

Zum Vergleich: Für eine analytische Therapie, die viel tiefer in der Vergangenheit des Klienten gräbt, werden meist 240 Sitzungen genehmigt, manchmal auch 300. Wann eine analytische Therapie zu empfehlen ist und wann Verhaltenstherapie – dazu erfahrt ihr demnächst mehr hier bei "In meiner Haut"! Ach ja, und wenn ihr zu eurer ersten Sitzung geht, bitte nicht wundern: Eine Therapiestunde dauert nur 50 Minuten. ;)

 

Zum Weiterlesen

Detaillierte Infos zur Therapeutensuche findet ihr in dem Buch der Verbraucherzentrale: "Psychotherapie – Angebote sinnvoll nutzen".


Link-Tipp von Judith Dücomy

Auf therapie.de kannst du Psychotherapeuten in deiner Nähe finden und gezielt nach spezialisierten Therapeuten suchen.

 

Weitere Themen demnächst hier bei "In meiner Haut":

  • Welche Therapieformen gibt es und welche sind bei Skin Picking zu empfehlen?
  • Wann sollte ich eine Therapie machen?
  • Wie behandelt man Skin Picking in der Verhaltenstherapie?
  • Wie läuft das Kostenerstattungsverfahren?

2 Kommentare:

  1. In der Tat ist das oft nicht ganz so einfach schnell einen guten Psychotherapeuten zu finden. Ich habe dazu auch etwas geschrieben: Einen guten Psychotherapeuten finden

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  2. Hallo Stefan, danke für deinen Kommentar. Ich weiß nicht, ob es an meinem System liegt, das gerade nicht rund läuft, aber leider kann ich deinen Link nicht abrufen. Wenn du magst, schreib hier doch noch mal die URL hin. Danke und liebe Grüße!

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